Kann man Frieden kaufen?
Der Zwischenruf des Besuchers der „Kunst Meile“ damals in Hamburg: „Das ist ja kommerziell!“ hat gezeigt, dass es Menschen gibt, die künstlerische Friedensprojekte nicht gern in Verknüpfung mit einem Verkauf sehen. Viele Menschen gehen davon aus, dass wir alles, was wir wollen, irgendwo auf dieser Welt kaufen können, wenn wir nur ausreichend Geld dafür bieten. Zudem meinen aber auch viele Menschen, dass es Dinge gibt, die wir nicht für Geld erwerben können. Die meisten Sachen oder Dienstleistungen, die wir zu kaufen wünschen, finden wir in einem Geschäft. Im Zuge der Arbeit „Der Frieden ist (k)ein roter Ball“ habe ich einhundert verschiedene Firmen angeschrieben. Diesmal allerdings per Brief, um sicher zu gehen, dass die Anfrage auch dort ankommt, wo ich sie stellen wollte. Hier der Brief, den ich den Firmen zugesendet habe:
Berlin, den 08.12.09. Betreff: Kundenanfrage. Sehr geehrte Damen und Herren, kann ich bei Ihnen Frieden kaufen? Da ich unsicher bin, wo ich Frieden erwerben kann, frage ich nun unter anderem auch in Ihrem Hause nach. Ich bin am Erwerb von persönlichem Frieden für mich, aber auch gleichermaßen an Frieden für eine ganze Gemeinschaft interessiert. Zudem würde mich interessieren, ob Sie Frieden für die Welt in Ihrem Sortiment haben. Über spezielle Angebote würde ich mich natürlich freuen! Bitte schicken Sie mir doch entsprechende Preislisten zu. Außerdem freue ich mich natürlich über Informationen von Ihnen, wo ich Frieden kaufen kann, falls meine Kundenanfrage durch Ihr Sortiment nicht abgedeckt werden sollte! Mit freundlichen Grüßen, Steve Meyer
Bereits am 09.12.09 antwortete mir die Sekretärin der Geschäftsleitung des Dänischen Bettenlagers, Frau J., per Brief. Sie schrieb:
Sehr geehrter Herr Meyer, vielen Dank für Ihr Schreiben vom 08.12. dieses Jahres. Sie können bei uns Qualitativ hochwertige Bettwaren und sonstige Wohnutensilien erwerben, die für einen friedlichen Schlaf und harmonisches Wohnerlebnis sorgen. Zudem werden Sie vor Ort in unseren Filialen Service- und Kundenorientiert nach Ihren Wünschen beraten. Damit Sie sich ein eigenes Bild machen können, haben wir Ihnen diesem Schreiben unseren aktuellen Prospekt beigelegt, welcher ab Montag, 14. Dezember 2009 gültig ist. Wir würden uns sehr freuen, Sie vielleicht schon bald in einer unserer zahlreichen Filialen begrüßen zu dürfen. Mit weihnachtlichen Grüßen aus Handewitt …
Es war zu erwarten, dass auf dem mitgeschickten Prospekt kein Bild ist, das ein Kilo Frieden für fünf Euro und neunundneunzig Cent anbietet, reduziert von neun Euro und fünfzig! Obwohl die Dame mir keinen Frieden verkaufen kann, ist sie offensichtlich bemüht etwas anzubieten, das mir zumindest einen friedlichen Schlaf bringen könnte. Ähnlich, wie mein vorhergehendes Beispiel mit dem neuen Mantel, der Freude transportiert, scheint hier auch ein Gegenstand, in diesem Fall ein Bett, friedlichen Schlaf zu bringen. Ich gebe ihr recht. Ein Bett, das einen friedlich schlafend macht, kann persönlichen Frieden bringen. Wäre es jedem Menschen auf dieser Welt gegönnt des Nachts friedlich zu schlafen, hätten wir dann einen Zustand, den wir Weltfrieden nennen könnten?
Ebenfalls am 09.12.09 schrieb mir der Geschäftsführer, Dr. C. H., der Manufactum GmbH & Co. KG aus Waltrop folgenden Brief:
Lieber Herr Meyer, in unserem Sortiment bieten wir diverse Bälle an: einen gelben Tennisball, einen rotgegerbten Lederfußball und sogar einen roten Gummiball (Artikelnummer 65612). Für die Farbe haben wir uns aus historischen Gründen entschieden, wie in der Produktbeschreibung zu lesen ist: Eines der wenigen deutschen Gummiwerke macht ihn noch: den verschwundenen, einfachen, preiswerten, robusten, springfreudigen und vielfältigen spielerischen Zwecken dienstbaren Gummiball. In Rot, versteht sich. Die erstklassige Naturkautschukmischung ist zu einer Decke von 4 mm Stärke verarbeitet, was dem Ball eine überlegene Formstabilität und Lebensdauer gibt. Die Vulkanisationshaut wird in einem mehrstündigen Trommelprozeß entfernt. Der Ball erhält dadurch eine leicht rauhe, griffige Oberfläche, die dem Roll- und Springverhalten guttut (wenn er nach längerem Kontakt mit Sand- oder Grasgründen blank geworden ist, können sie ihn mit 400er Sandpapier wieder aufrauhen). Über das hervorragend dichtende Spezialventil kann der Ball mit jeder Fahrrad- oder Ballpumpe befüllt werden (ein Ventiladapter aus Messing wird den Bällen, die unaufgeblasen geliefert werden, beigelegt). Diesen Ball jedoch mit Frieden zu assoziieren, würde zu weit führen. Viel Erfolg bei Ihrem Projekt. Mit freundlichen Grüßen C.H.
Einige Details, die aus dem Schreiben zu erkennen sind möchte ich hier hervorheben. Zum einen ist es offensichtlich, dass Herr Dr. H. sich informiert hat, wer ich bin und was ich tue. Er geht direkt auf meine Arbeit „Der Frieden ist (k)ein roter Ball“ ein, obwohl meine Anfrage nicht direkt auf mein Projekt abzielte, sondern auf die Frage, wo ich Frieden kaufen kann. Ich habe unten auf meinem Anschreiben meine Kontaktdaten mit Internetseite angegeben, es war also möglich mehr über mich und meine Arbeit zu erfahren.
Mit den dort erlangten Informationen konnte er mir nun Bälle anbieten, da man Frieden offensichtlich auch in den Filialen der Manufactum GmbH & Co. KG nicht erwerben kann. Wie wichtig ist es eigentlich für uns, den Menschen zu kennen, dem wir Frieden wünschen? Und eine weitere Frage kam mir beim Lesen der Produktbeschreibung in den Sinn: Nach welchen Kriterien sollte man den Ball wählen, der für das Experiment geeignet ist? Die Personen, die das Experiment machen wollen, haben die Wahl. Sie werden vermutlich unterschiedlich entscheiden. Der hier beschriebene Ball hat offensichtlich eine hohe Qualität, was ich aber als noch bemerkenswerter erachte, ist, dass so viele Informationen über ihn zur Verfügung stehen. Die Zeit, die man benötigt, um das Experiment zu machen, beinhaltet auch, dass man den Ball, den man wählt, besser kennen lernt. In der Zeit, wo er bemalt wird, wird man seine Oberfläche erforschen und sei es nur, um herauszubekommen, welche Art von Farbe geeignet ist, um ihn damit zu bemalen. Auch die Größe des Balls wird einem vertrauter, wenn man die gesamte Fläche ausfüllen muss. Macht es einen Unterschied, ob ich einen Tischtennisball nehme, ihn anmale, beschrifte und verschenke oder einen Gymnastikball, den ich nur mit Mühe und zwei Händen tragen kann? Macht es einen Unterschied, wenn Sie einer Person einen Ball schenken und ihr zeitgleich Frieden wünschen, ohne weiter auf den Ball einzugehen oder sind Sie in der Lage weitere Informationen zu dem Ball zu geben. Die Aufforderung, das Experiment betreffend, ist eindeutig: Es ist nicht wichtig, was für einen Ball Sie nehmen. Tischtennisbälle, Fußbälle, Bälle aus Leder, Holz oder Kunststoff – Hauptsache rund! Wenn Sie das Experiment machen werden Sie, bewusst oder unbewusst einen Ball besorgen, der dann schon geeignet sein wird. Allein durch die Tatsache, dass Sie ihn gewählt haben. Selbstverständlich können Sie sich mehr oder weniger Mühe machen den Ball zu besorgen. Und natürlich können Sie mehr oder weniger offen damit umgehen. Stellen Sie sich Folgendes vor: Ein Mann klingelt an Ihrer Tür, ob fremd oder vertraut sei jetzt einmal vernachlässigt. Er schenkt Ihnen einen rot bemalten Tischtennisball mit dem Schriftzug Frieden, wünscht Ihnen selbigen und geht wieder. Soweit so gut! Jetzt stellen Sie sich vor, der selbe Mann klingelt und schenkt Ihnen einen kleinen, rot bemalten Holzball, mit dem Schriftzug Frieden versehen, wünscht Ihnen Frieden und beginnt zu erzählen. Er könnte zum Beispiel sagen, wie er das Holz, aus dem der Ball geschnitzt ist, selber gesammelt, bearbeitet, bemalt und beschriftet hat, um ihn nun an Sie zu verschenken und Ihnen Frieden zu wünschen. Es steht die Frage im Raum, wie wichtig es sein kann, den Ball zu kennen, den man verschenken will.